Lesenswert

Rheintal06.09.2023

Möglichst alle ins Boot holen – Interview mit Sabina Saggioro, Geschäftsleiterin VSGR

Sabina Saggioro ist seit 2013 Geschäftsleiterin des Vereins «St.Galler Rheintal». Die gelernte Bäuerin mit Weiterbildungen in Betriebsökonomie weiss, warum es die regionale Organisation braucht – heute und in Zukunft.

 

Sabina Saggioro, der Verein St.Galler Rheintal betreibt seit 2006 Standortmarketing. Weshalb wurde er ins Leben gerufen?
Bereits vor über 70 Jahren existierte eine Art Vorgänger-Organisation in Form einer Regionalplanungsgruppe. 2006 wurde dann der Verein St.Galler Rheintal gegründet. Er koordiniert hauptsächlich Aufgaben, die nicht auf Gemeinde- oder Kantonsebene wahrgenommen werden können, anfänglich in den Bereichen Siedlung, Landschaft, Energie und Verkehr. Weil das St.Galler Rheintal mit einem Exportanteil von 40 Prozent eine herausragende wirtschaftliche Stellung innerhalb des kantonalen Kontexts innehat, wurde das Standortmarketing als Aufgabe in die Statuten aufgenommen. Immerhin kommen auf 72‘000 Einwohner über 31‘000 Beschäftigte. Deshalb sind in unserem Verein in allen Gremien auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft integriert.

 

Sie initiieren, unterstützen und begleiten Ideen und Projekte auf regionaler Ebene. Auf welche sind Sie besonders stolz?

Wir durften in den vergangenen zehn Jahren einige Erfolge feiern, etwa die Etablierung der Marke «RHEINTAL.COM» sowie die Einreichung des grenzübergreifenden Agglomerationsprogramms Rheintal, wo ab Januar 2024 voraussichtlich Bundesmittel von über 23 Millionen Franken für Infrastrukturvorhaben im Wert von 78 Millionen in den nächsten vier Jahren in die Region fliessen werden. Auch im Bereich Integration haben wir anerkannte Angebote aufgebaut, etwa die Dienstleistung der «Schlüsselpersonen». Hier bieten über 50 fachlich qualifizierte Angestellte kulturelle Vermittlung in über 30 Sprachen an. Auch gibt es diverse Angebot in der frühen Förderung, die eine wichtige Ergänzung im Vorschulbereich sind.

Und welche Projekte sind noch in der Pipeline?

Wir sind an der Erarbeitung des Agglomerationsprogramms der fünften Generation mit diversen Einzelprojekten. Im Standortmarketing läuft die Kampagne 2023; weitere Projekte laufen in unseren anderen Fachgruppen. Es würde den Rahmen sprengen, alle zu nennen.

 

Wie gehe ich vor, wenn ich eine Idee habe und Unterstützung vom Verein möchte?
Am besten ist, möglichst früh mit uns in Kontakt zu treten. Wir sehen uns als Vermittler und Ratgeber für die Realisierung von Projekten. Wir haben ein grosses Netzwerk und können dies zugunsten der Projekte einsetzen.

 

Seit letztem Jahr machen auch «Rhinfluencer» Werbung für das Rheintal. Was genau ist deren Aufgabe?
Sie berichten über ihre Erlebnisse und Erfahrungen im Rheintal auf Social Media. Es sind jedoch keine professionellen Influencer, sondern eben «Rh»­eintal«influencer». 2022 kamen die Rhinfluencer von ausserhalb und besuchten das Rheintal für drei Tage. Heuer kommen sie aus dem Rheintal und berichten von ihrem Arbeitsplatz und ihrem Leben hier.

 

Wo liegen aktuell die grössten Herausforderungen im Wirtschafts- und Lebensraum Rheintal?
Die Gewährleistung einer funktionierenden, sicheren Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer und gleichzeitig die Aufrechterhaltung der Lebensqualität in unseren Dörfern und Städten ist ein Dauerbrenner. Essenziell ist auch, dass unsere Unternehmen genügend Fachkräfte rekrutieren können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und bereits jetzt ist es wichtig, das Rheintal mit gezielten Massnahmen für die Klimawandelanpassungen fit zu machen – und dass dabei möglichst alle Involvierten am gleichen Strick ziehen.

Wie geht der Verein diese Herausforderungen konkret an?
Die Erarbeitung des Agglomerationsprogramms ermöglicht es, die Themen Siedlung, Mobilität, Landschaft und Klimawandelanpassung umfassend zu bearbeiten und Massnahmen abzuleiten. Den Fachkräftemangel gehen wir weiterhin mit gezieltem Standortmarketing an.

 

Projekte werden mehrheitlich durch die zwölf Mitgliedergemeinden, den Kanton, den AGV und Partner aus der Wirtschaft finanziert. Bei so vielen Geldgebern dürfte die Finanzierung von Projekten kein Problem sein, oder?
Finanzen sind immer ein knappes Gut; die Projekte müssen sauber aufbereitet und politisch verankert sein. Bis das Geld für die Projekte fliesst, ist deshalb viel konzeptionelle Vorarbeit, das Involvieren aller Betroffenen und viel Überzeugungsarbeit nötig. Dazu braucht es viel Geduld für die langfristig angelegten Prozesse.

 

Wie soll sich der Verein weiterentwickeln?
Kurzfristig steht die Umsetzung der Massnahmen aus dem Agglomerationsprogramm der vierten Generation weit oben auf der Prioritätenliste. Auch im Standortmarketing setzen wir die Kampagne um und arbeiten parallel bereits an Ideen für die nächsten Jahre. In vielen Gemeindepräsidien und -behörden wurden in letzter Zeit Wechsel vollzogen. Es ist mir ein Anliegen, die neuen Mitglieder möglichst bald ins regionale Boot zu holen, umfassend zu informieren und in Projekte einzubinden.

 

Regionale Koordination auf allen Ebenen wird in Zukunft also noch bedeutender.
Absolut. Der Verein wird sich auch in Zukunft als wichtiger Partner und Dienstleister für die Gemeinden und das Rheintal einsetzen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können Aufgaben regional wahrgenommen und damit die Gemeinden entlastet werden. Ich bin überzeugt, dass eine gelungene regionale Zusammenarbeit einen wesentlichen Anteil an der Prosperität einer Region hat.

 

Text: Fokus Rheintal LEADER, Stephan Ziegler

Bild: Urs Bucher

Bild: Sabina Saggioro